Ab und zu werden wir von Privatpersonen oder Feuerwehr- bzw. Rettungsdienstleuten gefragt, wer als Notfallseelsorger gilt und wie man ihn in den laufenden Einsatz einbinden kann. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die Strukturen sind bundesweit noch zu jung, um in wenigen Worten eine Antwort geben zu können. Deshalb bieten wir in diesem Beitrag einige wesentliche Merkmale zur Unterscheidung an. Das geht nicht, ohne die Entstehungsgeschichte zu kennen.
In aller Kürze können wir über den saarländischen Notfallseelsorger, im Fachjargon PSNV-Fachkraft der NKS e.V., folgendes festhalten:
- Bekleidet mit einer Jacke oder Weste der Farbe Lila (Violett ist unsere Erkennungsfarbe an der Einsatzstelle)
- Besitzt einen Dienstausweis, auf dem auch die zuständige Katastrophenschutzbehörde steht
- Trägt unser Logo auf der Einsatzkleidung (Brusthöhe)
- Hat ein mehrstufiges Bewerbungs- und Auswahlverfahren durchlaufen
- Absolvierte eine Ausbildung von 160 Stunden Theorie mit schriftlicher und mündlicher Prüfung
- Sammelte in 10 Einsätzen genügend Erfahrung und legte 2 praktische Prüfeinsätze ab
- Ist eingebunden in die Einsatzgruppe des Landkreises und nimmt regelmäßig an den Dienstbesprechungen teil
- Reflektiert seine Arbeit fortlaufend durch Supervision und Intervision
- Nimmt regelmäßig an Fortbildungen teil
- Kann auf Wunsch im Einsatzfall Kontakt zum zuständigen Ortsgeistlichen (Pfarrer/Pastor) herstellen bzw. mit den Betroffenen ein passendes Gebet sprechen
- Achtet religiöse und weltanschauliche Überzeugungen der Betroffenen
- Sofern er/sie ein/e Geistliche/r ist, hat er/sie vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht
- Begleitet Betroffene so lange, bis das soziale Netz (Familie, Freunde, Nachbarn, Amt) aufgebaut ist und dieses die Betreuung/Begleitung fortführt
Warum heißen wir nun Notfallseelsorger, wenn nicht alle ausgebildete Theologen sind?
Der Begriff „Notfallseelsorge“ ist relativ neu. Die Kombination aus „Notfall“ (manchmal auch „Unfall“) einerseits und „Seelsorge“ andererseits verbindet ein plötzliches Geschehen, das die Betroffenen traumatisieren kann, mit der Sorge um die Seele des Menschen. Den religiös geprägten Begriff „Seele“ kann man auch mit „Psyche“ ersetzen, doch der geschichtliche Hintergrund ist nun mal religiös. Es waren katholische und evangelische Geistliche, die aus ihrem Amt heraus zur Seelsorge auch in Notfällen kamen. Dies gehört zu ihren klassischen Aufgaben. Sie hatten auch die richtige Erfahrung und einen geübten Umgang mit dem Sterben und dem Tod. So entstand die Notfallseelsorge im Saarland 1996 durch die Zusammenarbeit der Feuerwehr mit Pastor Peter Breuer und Pfarrer Rolf Kiwitt – um nur zwei zu nennen. Nach und nach kamen weitere Geistliche (durch die Ordination mit dem Recht auf Zeugnisverweigerung vor Gericht ausgestattet) sowie viele Laien aus verschiedenen Organisationen (die allerdings nicht über das Zeugnisverweigerungsrecht verfügen).
Parallel dazu setzt sich die Psychologie, besonders die Psychotraumatologie, mit dem Thema auseinander. Es entstand als neue Bezeichnung „Psychosoziale Unterstützung„, kurz PSU. Die Notfallseelsorge wird in diesem Kontext als „Krisenintervention“ bezeichnet und eine Einsatzgruppe als „Kriseninterventionsteam“ (kurz KIT). Im Saarland decken heute die 6 Einsatzgruppen beide Bereiche ab. Der 2007 gegründete gemeinnützige Verein – hervorgegangen aus der Arbeitsgemeinschaft von 1996 – heißt daher „Notfallseelsorge und Krisenintervention Saarland e.V.“, kurz NKS e.V.
Im sogenannten „Konsensus-Prozess“ in der Bundesrepublik hat sich dann unter der Führung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schließlich der sperrig klingende Begriff „Psychosoziale Notfallversorgung“ (kurz PSNV) als Fachbezeichnung durchgesetzt. Damit wird aktuell das Aufgabengebiet als ganzes bezeichnet. Alle diese Bezeichnungen tragen wir im Namen des Vereins oder dieser Webseite, doch bis heute ist der Begriff „Notfallseelsorge“ am geläufigsten. Im Saarland wurde 2008 die Notfallseelsorge und Krisenintervention Saarland e.V. durch die besondere Anerkennung aller Landkreise und durch die allgemeine Anerkennung des Landes als einzige Organisation mit der hoheitlichen Aufgabe der Psychosozialen Notfallversorgung betraut. Das ist bisher immer noch einzigartig in Deutschland.
Das Wort „Notfallseelsorge“ ist kein geschützter Begriff, ebensowenig wie „Seelsorge“. Jeder Christ, jede Christin ist aufgerufen, in der Not einem Menschen beizustehen. Immer mehr Menschen benutzen dieses Wort, meinen aber die qualifizierte Psychosoziale Notfallversorgung.
In unserem Verein erfolgt eine umfangreiche Fachausbildung von 160 Stunden zuzüglich zahlreicher Praktika und Reflektionsphasen, damit die Seelsorge auch unter extremen Bedingungen sach- und menschengerecht ausgeübt werden kann. Das stellen unsere Fachkräfte sicher, die ohne Ausnahme ehrenamtlich arbeiten. Das Saarland und seine Landkreise sichern der Bevölkerung eine solche umfassende Versorgung zu, indem sie die Notfallseelsorge und Krisenintervention Saarland e.V. mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe beauftragt haben. Dabei ist der Verein eng mit den ev. und kath. Landeskirchen und Bistümern auf dem Gebiet Saarland und Rheinland-Pfalz verbunden.
An Einsatzstellen hat jeder Einsatzleiter (ob von Feuerwehr, Rettungsdienst oder Polizei) somit das Recht, einen selbsternannten „Notfallseelsorger“ des Platzes zu verweisen und einen unserer Kollegen und Kolleginnen über die Integrierte Leitstelle anzufordern.
Es bleibt uns die Frage, wer die qualifizierte Psychosoziale Notfallversorgung zu leisten imstande ist. Der bereits genannte bundesweite Konsens, dem das BBK, der Malteser-Hilfsdienst sowie das DRK zugestimmt haben, nennt eine Ausbildung von 80 Unterrichtsstunden als ein absolutes Minimum. Die praktische Ausbildung wurde nicht eindeutig geregelt. Einige Organisationen verzichten darauf ganz und nehmen es billigend in Kauf, dass unerfahrene Theoretiker den Betroffenen schaden können – nicht böswillig, sondern aus Mangel an Erfahrung, die man nur als Begleiter sammeln kann. Unser Verein fordert von allen neuen Kollegen, dass sie 10 Einsätze begleitet und reflektiert haben, bevor ihre Tätigkeit in zwei Einsätzen begutachtet wird. Qualität kommt vor Quantität!