Im Interview: Martial Martin

Unser Verein besteht aus Menschen, wie Sie und ich. Jeder bringt eine eigene Lebensgeschichte, sein Wissen und seine Erfahrung mit ein. Jeder hat etwas Interessantes zu erzählen. Solche Kollegen möchten wir im Interview vorstellen, um Sie, liebe Leserschaft, an unserem Wirken als PSNV teilhaben zu lassen.

Wir kommen auch auf einem Quad zum Einsartzort. Jedenfalls einige wenige unter uns.

Lieber Martial, wie bist du zur PSNV gekommen?

Das Thema PSNV hat mich schon länger interessiert. Ich wusste schon, dass es existiert, auch durch persönliche Erfahrung im Rettungsdienst. Es hat mich schon länger interessiert, aber dass ich mich bewegt habe, den Weg zu gehen, war an sich ein bisschen Zufall. Es war ein Zeitungsartikel. Ich kannte schon Oswald, der in der Gruppe ist, aber der Grund, warum ich mich gemeldet habe, war eben dieser Zeitungsartikel. Darin stand eine Telefonnummer drin, wo ich mich sofort gemeldet habe. Bertram habe ich am Telefon erreicht und nun bin ich jetzt dabei.

Du bist schon ein wenig Blaulicht-vorbelastet…

Ja – ein wenig. (lacht)

Was hast du in deinem Leben schon gemacht?

Meine Blaulicht-Erfahrung hat angefangen mit Feuerwehrdienst und technische Rettung. In Luxemburg, wo ich herkomme, ist das sehr klar getrennt: rot und weiß. [Anmerkung: Farben als Synonyme für die Dienste] Am Anfang habe ich sehr viele Einsätze als Feuerwehrmann gemacht. Mit der Zeit habe ich bemerkt, dass mich die weiße Seite [Rettungsdienst] mehr interessiert und so war ich immer mehr im Rettungsdienst aktiv. Ich habe immer mehr Zeit und Energie in diese Dinge investiert.

Du kommst ursprünglich aus Luxemburg. Merkst du Unterschiede auf der Einsatzebene zwischen Saarland und Luxemburg? Meinst Du, gemeinsame Einsätze unseres Dienstes würden sofort klappen?

Ich muss zugeben, es sind schon einige Jahre her, als ich die Dienste in Luxemburg erlebt habe. Die Dinge entwickeln sich oft sehr dynamisch, deshalb keine Garantie, dass es immer noch so ist.

Es gibt einen großen Unterschied. In Luxemburg entstand die GSP [Groupe de Support Psychologique = PSNV] aus dem Rettungsdienst. Es wird auch nicht so strikt getrennt, wie hier, dass man einen eigenen Verein als Träger hat. Die GSP wird im Organigramm als ein Teil des Rettungsdienstes festgehalten. Und wenn das so schon feststeht, dann sind viele Dinge von vornherein wie die Finanzierung geklärt. 

Die GSP ist also so in den Katastrophenschutz integriert, dass man sogar Feuerwehrleute bereitstellt, damit sie die Einsatzkräfte auf schnellstem Weg zum Einsatzort bringen…

Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass es sehr ähnlich wie hier im Saarland abläuft. Das System an sich ist dasselbe. Wenn die Rettungskräfte vor Ort merken, dass jemand Unterstützung benötigt, fordern sie die PSNV an. Oder wenn der Leitstellendisponent beim Anruf merkt, dass mehrere Personen unter starkem Stress stehen oder einer psychischen Notlage leiden, wird der die PSNV sofort mit alarmiert. Die Alarmierung läuft genauso ab, nur die organisatorische Einbindung der PSNV ist etwas anders als hier.

Nun bist du im Saarland angekommen und wohnst im Landkreis Neunkirchen. Seit der Ausbildung bist Du ein Teil der Einsatzgruppe. Wie geht es dir bei uns? Fühlst du dich wohl? Oder hat dir etwas gefehlt?

In der Gruppe fühle ich mich persönlich sehr wohl. Ich sehe die Aufgabe, im Notfall für die Menschen da zu sein, als sehr, sehr wichtig an. Den Personen in einer Extremsituation –  wenn sich das Leben innerhalb von Minuten von “alles in bester Ordnung” zu “mein Leben droht zu scheitern” verändert –  können wir das Leben, wie es früher war, nicht zurückbringen, jedoch ein wenig Struktur einbringen und in genau dieser Situation durch Stabilisierung helfen. Ob durch Gespräch, ob durch Zuhören oder durch das Verständigen der Angehörigen – in dieser ersten Stunde für die Menschen da zu sein… Ich bin sehr froh, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen.

Ich fühle mich in dieser Lage wohl und bin auch sehr froh, dass ich den Weg zur PSNV gefunden habe. Ich denke auch, dass ich genau dort richtig bin. Ich tue nach bestem Wissen und Gewissen, was den Menschen hilft. Mit meinen Teamkollegen komme ich sehr gut zurecht. Bin – denke ich – sehr gut angekommen und bringe mich im Hintergrund sehr stark in die PSNV, weil ich an das “Projekt” glaube.

Wir sind auch ein Verein. Es gibt viele administrative Dinge, die im Hintergrund passieren – jenseits von Einsätzen. Es werden auch Menschen gebraucht, die strukturieren. Denn wir müssen den Vorgaben des Katastrophenschutzes auf Kreis und Landesebene genügen. Unter anderem gehört die gemeinsame Ausbildung für alle Landkreise zu den Aufgaben des Vereins. Wie empfandest Du die Ausbildung? Was war dir in der Ausbildung wichtig oder besonders spannend? Wie ging es dir mit der Lerngemeinschaft, die aus so unterschiedlichen Professionen, Landkreisen und Mentalitäten entstand?

Die Ausbildung zur PSNV-Fachkraft fand ich sehr wertvoll. Die Materie ist so vielfältig und die Ansätze der Dozenten waren sehr spannend. Mit einigen Kollegen aus den verschiedenen Landkreise habe ich bis heute noch Kontakt. Mit den Kollegen aus dem Landkreis habe ich mich sehr schnell anfreunden können. Da ich frühzeitig pensioniert wurde, habe ich etwas mehr Freizeit und habe deshalb seit zwei Monaten die Koordination des Bereitschaftsplans unserer Gruppe übernommen. Ich bringe mich gerne in das Vereinsleben ein und entlaste dadurch meine Kollegen von Verwaltungstätigkeiten.

Die Ausbildung selbst – die Inhalte… Wie waren sie für dich? Waren sie für dich neu und spannend oder bereits bekannt? Bei deinem Hintergrund kann ich mir vorstellen, dass Du schon einiges gewusst hast. 

Viele Inhalte waren mir natürlich schon bekannt. Das Interessante war, dass die Sichtweise auf dieselben Dinge eine ganz andere ist.  Die Einsatzbilder kannte ich. Sie aber aus der lila Sicht zu betrachten, war mir neu. Vor acht Jahren habe ich die Feuerwehr und den Rettungsdienst verlassen und so kann ich  nur noch von der anderen Seite auf die Situation gucken.

Nach den ersten drei Wochenenden warst du Notfallbegleiter und wurdest von uns in die Einsätze mitgenommen. Wie war es für dich im ersten Einsatz?

Mein erster Einsatz war mit Heiko. Das werde ich nie vergessen. Es war sehr interessant. Ich gehöre zu den Menschen, die sehr schnell merken, wo sie andere unterstützen können. Als Begleiter muss man erst einmal zuhören lernen und beobachten, wie die Fachkräfte agieren. Danach kann man sich mit eigenen Ideen einbringen. In einem anderen Einsatz mit Jürgen habe ich bei einer Person aus der Familie, die wir betreut haben, ein Bedürfnis wahrgenommen. Die Begleiter treffen keine autonomen Entscheidungen. Aber in Absprache mit der Fachkraft konnte ich darauf entsprechend reagieren. Ich fand es sehr gut, dass die Fachkräfte mir immer die Freiheit gelassen haben, sich an die Aufgabe heranzutasten.  Es ist wichtig, in den ersten Einsätzen nur beobachten zu dürfen und zu sehen, wie das Kriseninterventionskonzept umgesetzt wird, aber am meisten lernt man, wenn man es selbst ausprobiert.

Um die Ausbildung abzuschließen, legt man zwei Prüfungseinsätze ab. Doch davor muss man  einige Einsätze als Begleiter gemacht haben. In deinem Fall waren es sogar sehr viele. So konntest du viele von uns Fachkräften erleben. Merkt man Unterschiede in der Art und Weise der Einsatzführung?

In einer größeren Gruppe findet man immer Gemeinsamkeiten, wie z.B die starke Orientierung am Kriseninterventionskonzept, aber es gibt Nuancen, in denen sie sich unterscheiden. Bei Oswald z.B habe ich gelernt, dass sich die Menschen am Tisch zusammensetzen. Es ist seine Art und Weise, mit den Betroffenen zu kommunizieren. Mit jedem der vielen Einsätze habe ich immer mehr dazugelernt und die Unterschiede finden können. Der eine legt sehr viel Wert auf dies, der andere auf jenes. Daraus leitet man dann gewisse Optionen für den Einsatz ab: Bei einem Einsatz mit Oswald warteten wir mit Betroffenen auf Informationen, die er bei der Einsatzleitung besorgen wollte. Die Zeit habe ich genutzt, um die Tische und Stühle so zu stellen, dass wir gut miteinander reden konnten. Das ist nur ein Beispiel. 

Würdest du anderen Menschen die Mitarbeit in der PSNV empfehlen und wenn ja, wem? Würdest du selber noch einmal die Ausbildung machen wollen und bei uns in der Gruppe einsteigen? Wen siehst du als prädestiniert für diese Arbeit?

Es wird behauptet, man sollte Blaulicht-Erfahrung haben. Ich halte das nicht für sehr relevant. Man muss menschlich sein. Man sollte helfen wollen und bereit sein, das gerade in schwierigen Situationen tun zu wollen. Man muss auch flexibel sein, weil es keine zwei gleichen Einsätze gibt. Es gibt Einsätze, in denen man mit dem Tod in Berührung kommt. Das kann nicht jeder. Das kann auch belastend sein, vor allem wenn man mit Kindern zu tun hat. Aber das Schöne an unserer Organisation ist, dass man immer Einsätze an andere Kollegen abgeben darf, wenn man merkt, dass man selbst an die eigenen Grenzen geht. Es gibt auch die Supervision in der Gruppe, wo man Dinge klären kann. Mein Abschlussritual ist das Ausziehen der Einsatzkleidung bzw früher der Handschuhe. Das hat für mich immer gut funktioniert und ich konnte die Einsätze für mich gut abschließen. Ich bin dann wieder der Martial und nicht die Fachkraft.  Ich möchte die Menschen dazu ermuntern, unsere Reihen zu verstärken.

Du hast gefragt, ob ich die Ausbildung wiederholen würde. Ja, ich habe die Zeit genossen. Es war sehr interessant. Ich habe keine einzige Stunde verpasst. Ich wollte das alles wissen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich vor der Prüfung sehr aufgeregt war, weil das ganze mir sehr wichtig war. Aus der Sicht von heute: ob ich es noch einmal machen würde? Ja, ein ganz klares Ja. Es war definitiv die richtige Entscheidung, bei der PSNV einzusteigen.

Vielen Dank für das Interview! 

Anmerkung: Das Bewerbungsverfahren für die Ausbildung zur Fachkraft PSNV geht üblicherweise schon Ende September in die „geschlossene Phase“ über. Die Ausbildung selbst beginnt im Januar und dauert ein Jahr (10 Wochenenden). In der Zwischenzeit müssen noch Gespräche mit der Ausbildungsleitung und den Einsatzgruppenleitern stattfinden. In einem Verein aus Ehrenamtlichen brauchen solche Dinge oft länger als sonst. Deshalb müssen wir eingehende Bewerbungen ab Oktober auf das folgende Jahr verschieben. Alle Informationen zur Ausbildung PSNV-B und die benötigten Unterlagen erhalten Sie hier.

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